Erfolgreiche homöopathische Therapie - "nur" eine Frage des Simile?
Werner Dingler
      
Ist eine erfolgreiche homöopathische Therapie "nur" eine Frage des Simile?
    

Die Aufmerksamkeit der homöopathischen Therapeuten ist in erster Linie auf die Auffindung des Simile oder des Similimums gerichtet. Dazu haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Methoden herausgebildet, um diese Arbeit sicher und effektiv zu bewältigen.

Hahnemann nennt in seinem Hauptwerk "Die chronischen Krankheiten", Band 1, Seite 149, die unhomöopathische Wahl des Arzneimittels einen Haupt-fehler in der Therapie chronisch Kranker.

In demselben Abschnitt spricht er jedoch ausser diesem noch zwei weitere Hauptfehler an, nämlich

1. die Gabe (Arzneimitteldosis) nicht klein genug zu verabreichen,

2. die Gabe nicht genügend lange auswirken zu lassen.

Der Zweite Punkt ist bei Verabreichung von hohen C-Potenzen besonders zu beachten.

Wenn Sie die Schriften Hahnemanns studieren, werden Ihnen an unzähligen Stellen Hinweise auf die notwendige Kleinheit homöopathischer Arzneigaben auffallen. Der erste Hinweis beginnt bereits in der "Heilkunde der Erfahrung", dem Vorläufer des ersten Organons, und geht dann durch sämtliche Auflagen des Organons hindurch. Auch in den Vorworten zu seinem Werk "Reine Arzneimittellehre" und schliesslich in seinem Hauptwerk "Die chronischen Krankheiten" begegnen wir der Warnung vor grossen Gaben, wenn nach homöopathischer Art therapiert wird. Lassen Sie mich stellvertretend für die vielen Stellen als Beispiel die §§ 275 und 276 aus 6.Aufl. des Organon zitieren:

"Die Angemessenheit einer Arznei für einen gegebenen Krankheitsfall, beruht nicht allein auf ihrer treffenden homöopathischen Wahl, sondern eben so wohl auf der erforderlichen, richtigen Grösse oder vielmehr Kleinheit ihrer Gabe. Gibt man eine allzu starke Gabe von einer, auch für den gegenwärtigen Krankheitszustand völlig homöopathisch gewählten Arznei, so muss sie, ungeachtet der Wohltätigkeit ihrer Natur an sich, dennoch schon durch ihre Grösse und den hier unnötigen, überstarken Eindruck schaden, welchen sie auf die Lebenskraft und durch diese gerade auf die empfindlichsten und von der natürlichen Krankheit schon am meisten angegriffenen Teile im Organismus, vermöge ihrer homöopathischen Ähnlichkeitswirkung macht."

"Aus diesem Grunde schadet eine Arznei, wenn sie dem Krankheitsfalle auch homöopathisch angemessen war, in jeder allzu grossen Gabe und in starken Dosen um so mehr, je homöopathischer und in je höherer Potenz sie gewählt war, und zwar weit mehr als jede eben so grosse Gabe einer unhomöopathischen, für den Krankheitszustand in keiner Beziehung passenden (allöopathischen) Arznei. Allzugrosse Gaben einer treffend homöopathisch gewählten Arznei und vorzüglich eine öftere Wiederholung derselben, richten in der Regel grosses Unglück an. Sie setzen nicht selten den Kranken in Lebensgefahr, oder machen doch seine Krankheit fast unheilbar. Sie löschen freilich die natürliche Krankheit für das Gefühl des Lebensprinzips aus, der Kranke leidet nicht mehr an der ursprünglichen Krankheit von dem Augenblicke an, wo die allzu starke Gabe der homöopathischen Arznei auf ihn wirkt, aber er ist alsdann stärker krank von der ganz ähnlichen, nur weit heftigeren Arznei-Krankheit, welche höchst schwierig wieder zu tilgen ist."

Immer wieder kommt es vor, dass nach der Gabe eines Homöopathikums der Eindruck entsteht, es habe sich keine Veränderung und schon gar keine Verbesserung gezeigt, es scheint, als ob die Lebenskraft blockiert ist. Als ich Dosierungsregeln noch nicht so gut kannte, waren meine Heilerfolge nicht annähernd so gut wie heute. Viel zu oft musste ich zu immer neuen Mitteln Zuflucht nehmen, wo es heute längere Zeit mit einem einzigen geht.

Demzufolge empfehle ich im gegebenen Fall zu überlegen, ob es sich nicht um das Phänomen der zu grossen Arzneidosis handeln könnte, wenn über eine Therapieblockade nachgedacht wird. Dadurch können Sie sich und dem Patienten manche Tortur ersparen.

Was Hahnemann meint, wenn er von kleiner Dosis spricht, geht wiederum aus seinen Ausführungen hervor, z.B. aus dem § 272:

"Ein solches Kügelchen trocken auf die Zunge gelegt, ist eine der kleinsten Gaben für einen mässigen, so eben entstandenen Krankheitsfall. Hier werden nur wenige Nerven von der Arznei berührt, aber ein gleiches Kügelchen unter etwas Milchzucker zerquetscht, in vielem Wasser (§ 248) aufgelöst und vor jedem Einnehmen wohl geschüttelt, gibt eine weit stärkere Arznei zum Gebrauche auf viele Tage. Jede noch so kleine Menge hiervon als Gabe gereicht, berührt dagegen sogleich viele Nerven."

Aus diesem Paragraphen wird ersichtlich, dass er mit kleiner oder grosser Gabe nicht die Potenzhöhe meint. Dies wird noch deutlicher, wenn wir uns den Paragraphen 276 nochmals genauer ansehen, da wo er sagt:

"Aus diesem Grunde schadet eine Arznei, wenn sie dem Krankheitsfalle auch homöopathisch angemessen war, in jeder allzu grossen Gabe und in starken Dosen um so mehr, je homöopathischer und in je höherer Potenz sie gewählt war."

Eine andere Stelle in der Anmerkung zum § 246 in der 5. Aufl. zeigt ebenfalls, was er unter kleiner oder grosser Dosis versteht:

"... statt eines einzigen feinsten Streukügelchen mit Arznei in höchster Potenzierung befeuchtet, 6-8 auf einmal zu geben, zeigt weniger günstigen Erfolg, als er hätte sein können. Oft ist dies übel und der Schaden bei einem so behandelten Kranken ist schwerlich wieder gut zu machen."

Warum das so ist, erklärt uns Graf Buquoy folgendermassen:

"Ein Arzneimittel ruft bei einem gesunden Prüfer die Arzneimittelprüfungssymptome ALFA, BETA, GAMMA hervor und kann analog anderen physiologischen Gesetzmässigkeiten, die im abnormen Befinden (Krank-heit) sich aussprechenden Symptome A, B, G dergestalt verändern, dass diese Krankheitssymptome A, B, G in jene Arzneimittelsymptome ALFA, BETA, GAMMA, umgestimmt werden, denen der Charakter der Vergänglichkeit, des Vorübergehens, zukommt.

Diesen Charakter eines bloss vorübergehenden Zustandes erhält aber die, statt der (Krankheits-) Symptomen-Gruppe A, B, G hervorgerufene (Arznei-) Symptomen-Gruppe ALFA, BETA, GAMMA bloss dadurch, dass das Arzneimittel in ausserordentlich kleiner Gabe des angezeigten Mittels angewandt wird. Reicht der homöopathische Arzt eine zu grosse Gabe des homöopathisch angezeigten Mittels dem Kranken, so kann zwar dessen Krankheit A, B, G, in jene ALFA, BETA, GAMMA umgewandelt werden, allein die neue Kranheit sitzt nun ebenso fest, als vorhin jene A, B, G. Deshalb kann der Organismus sich nun eben so wenig von der Arzneikrankheit ALFA, BETA, GAMMA befreien, als er im Stande war, die ursprüngliche Krankheit A, B, G zu verscheuchen."

Sie können dies nachlesen in den "Chronischen Krankheiten", Bd. 1, S. 127.

Anmerkung des Verfassers:
Der Platz der natürlichen Krankheit wird von der künstlich erzeugten Arzneikrankheit eingenommen, die Lebenskraft ist nun von der neuen Arzneikrankheit beeinflusst, was zunächst keine wesentliche Veränderung der Symptomatik bewirkt, bestenfalls eine kleine Erhöhung, die wir Erstverschlimmerung nennen. Dann in der Nachwirkung, wenn nicht dauernd ein neuer Arzneireiz gesetzt wird, erlischt die Arzneikrankheit und Besserung wird sichtbar. Dies geschieht aber nur dann, wenn die Arzneidosis nicht zu stark war, da sonst die Arzneikrankheit sich festsetzt. Dann sieht es so aus, als bräuchte der Patient dieses angezeigte Mittel, doch es bessert nicht, sondern die Beschwerden nehmen zu. Denken Sie an die Patientin, welche später Kents zweite Frau wurde, welche Lachesissymptome zeigte. Jeder Homöopath gab ihr Lachesis mit dem Ergebnis, dass es ihr nur schlechter und schlechter ging, bis sie zu Kent kam, der dies erkannte und ihr keine weitere Dosis Lachesis mehr gab, sondern andere Mittel, worauf ihr Zustand allmählich besser wurde.

Ein anderer Fall der dies demonstriert betrifft einen weltbekannten und grossen Homöopathen des 18. Jahrhunderts, nämlich Clemens von Bönninghausen und die Asthmatherapie seines Sohnes. Sie können diesen Fall nachlesen in den "kleinen medizinischen Schriften", von Bönninghausen, Seite 347-354.

Der Sohn hatte kurz nach seiner Geburt einen milchschorfartigen, rasch sich ausbreitenden Ausschlag bekommen, welcher mit verschiedenen Salben und

Kräuterabsuden schliesslich zum Verschwinden gebracht werden konnte, worauf sich ein Asthma bronchiale entwickelte, welches der damaligen allopathischen Medizin nicht nur widerstand, sondern sich zunehmend verschlimmerte, so dass Bönninghausen während der alle 8 bis 14 Tage auftretenden Asthmaanfälle den Tod des Jungen befürchtete.

Als der Junge 1828 mit dem Universitätsstudium begann, war die Zeit, als Bönninghausen mit der Homöopathie in Berührung gekommen war und diese, mangels eines homöopathischen Arztes, soweit studiert hatte, dass er sich die Therapie seines Sohnes zutraute. Er schreibt:

"... es war gerade die Zeit der grossen und wiederholten Gaben über Deutschland hereingebrochen und hatte auch mich erfasst. Ich muss dies in der Tat ein wahres Unglück nennen, denn ungeachtet des, für diesen Krankheitsfall (Asthma) ganz treffend homöopathisch gewählten Mittels, welches Phosphor war, sah ich bei meinen, alle 8 Tage wiederholten Gaben nicht nur keinen erwünschten Erfolg, sondern bedeutende Verschlimmerung und das Auftreten sehr vieler, früher von meinem Sohne nie bemerkten Phosphor-Symptomen (Anm.: Es folgt eine Aufzählung von 54 Phosphorsymptomen) und bemerke dabei, dass selbst die angeführten Brustsymptome vor dieser Zeit ausser in den Asthmaperioden entweder gar nicht oder nur in geringem Masse vorhanden waren, jetzt aber beständig fortdauerten. Zwei Monate lang war ich unbesonnen genug, in dieser Weise fortzufahren und gewahrte dann erst den grossen Fehler, den ich gemacht hatte...

Nun aber handelte es sich darum, zunächst den gemachten Fehler wieder gut zu machen. Wiederholte Gaben von Coffea und Nuxvomica, dann später Ipecacuanha, China, Veratrum album und Arsenicum album taten alle etwas, aber nur sehr wenig und es verliefen viele Monate, ehe alle früher nicht beobachteten Nebensymptome verschwunden waren und das alte Asthma wieder in seiner früheren Gestalt da stand.

Als dieser Umstand endlich eingetreten war, liess ich meinen Sohn noch während eines Zeitraumes von vollen drei Monaten gänzlich ohne Arznei, und erst nach Ablauf dieser Frist begann ich aufs Neue die Kur, die ich mit einer kleinen Dosis Sulphur 60 für 4 Wochen, und einer Dosis Nux vomica 30 für 14 Tage (von beiden Mitteln nur zwei Streukügelchen) (Anm.: Es handelte sich um die C60 und C30) eröffnete. Dann nahm ich abermals ein genaues Krankheitsbild auf, welches genau mit dem, zuerst vor einem Jahre aufgezeichneten übereinstimmte, zum sicheren Zeichen, nicht nur, dass hier noch der Phosphor ebenso wie früher indiziert war, sondern auch, dass er in den wiederholt gegebenen grossen Gaben nichts gebessert hatte. Nicht ohne Furcht vor zu heftiger Wirkung und mit Zittern reichte ich nun, gleich nach einem Asthmaanfall eine kleine Gabe Phosphor 30, nämlich zwei feinste Streukügelchen und der Erfolg zeigte, dass meine Besorgnis nicht unbegründet gewesen war, indem nach 5 Tagen eine heftige Erstverschlimmerung des alten Lei-dens, und zugleich von den von den grossen Gaben hervorgerufenen Phosphorsymptomen alle durch Sperr-schrift ausgezeichneten wieder zum Vorschein kamen. Indessen dauerte diese homöopathische Verschlimmerung nur kurze Zeit, und gleich darauf trat eine sichtliche Besserung ein, welche mit nur wenigen, einige Stunden langen Unterbrechungen, und mit Abnahme der Dauer und Heftigkeit der gewöhnlichen asthmatischen Anfälle, über drei Monate lang fortschritt.

Sonach war also Phosphor, welcher in den übergros-sen, wenn auch im Vergleich mit allopathischen Verordnungen unerhört kleinen Gaben so grossen und dauernden Schaden gebracht hatte, als die am besten homöopathisch passende Arznei, hier immer noch das wahre Heilmittel und bestätigte vollkommen dasjenige, was der scharfsinnige Vater der Homöopathie im ersten Bande seines Buches "Über die chronischen Krankheiten", Seite 149, für solche Fälle gelehrt hatte.

Ich erwähne nun nur noch mit wenigen Worten, dass der Phosphor bis zu Ende der Kur das einzig angezeigte und Heilung befördernde Mittel blieb, bei dessen Fortgebrauch, jedesmal nach 3, 4 Monaten eine solche kleinste Gabe, ich nach anderthalb Jahren die grosse Freude erlebte, meinen Sohn von seinem, der Allopathie durchaus unzugänglichen asthmatischen Leiden so vollkommen und dauerhaft geheilt zu sehen, dass heu-te nicht die mindeste Spur mehr davon aufzufinden ist. Er kann sich jeder Anstrengung, wie Fussreisen, Jagen, Tanzen usw. ungestraft unterziehen, er kann sich erhitzen, erkälten, in froher Gesellschaft ein Glas Wein über das gebührende Mass trinken; dies alles, was sonst sogleich den Ausbruch des Asthmas zur Folge hatte, schadet ihm nicht mehr im mindesten."

Im geschilderten Fall wird die Homöopathie kritisch und gefährlich, wir sollten den Menschen helfen, Leiden lindern oder heilen und solche Irrwege und Leiden ersparen.

Denken Sie an den Ausspruch Paracelsus': Jedes Ding ist ein Gift, allein die Dosis macht, dass es kein Gift ist.
Wir müssen die Dosierungsregeln und Reaktionen beachten, wenn wir zum Wohle des Patienten handeln und ihm helfen wollen.
Das richtige Mittel in der erforderlichen Dosis regt die Heilung an. Dasselbe Medikament in zu grosser Dosis bringt den Patienten in einen Prüfungszustand, was seine Lebenskraft belastet.
Es ist eine andere Situation, wenn der Kranke (schon sensibilisierte Organismus) eine Arzneimittelprüfung macht, als wenn ein Gesunder (unbelasteter Organismus) diese macht.

Schliessen wir diesen ersten Teil mit einem Zitat Hahnemanns aus dem Vorwort zum Band 1 der CK, 1.Seite:

"Wenigstens kann ich nicht hoffen, dass es diesen wichtigen Mitteilungen besser ergehen werde, als der schon bisher von mir vorgetragenen allgemeinen Homöopathie, wo man aus Unglauben an die Kraft so kleiner und verdünnter (aber, was man übersah, desto zweckmässiger für ihren homöopathischen Zweck in ihrer dynamischen Wirkungsfähigkeit entwickelter) Arzneigaben, wie ich sie nach tausend warnenden Versuchen endlich als die zweckmässigsten der Arztwelt mit-teilen konnte, lieber erst Jahre lang mit grossen und grössten Gaben (meinen treuen Versicherungen und Gründen misstrauend) die Kranken in Gefahr setzte, und daher (wie zuerst ich, ehe ich zu dieser Herabstimmung der Gaben gelangte) den heilsamen Erfolg gewöhnlich nicht erleben konnte.

Was würden sie gewagt haben, wenn sie meinen Angaben gleich anfänglich gefolgt und gerade diese kleinen Gaben zuerst in Gebrauch gezogen hätten? Konnte ihnen da etwas Schlimmeres begegnen, als dass diese Gaben nicht halfen? Schaden konnten sie doch nicht!"

Leider hat dieses Zitat heute, durch unkontrollierten Einsatz von homöopathischen Medikamenten, wieder eine besondere Aktualität bekommen.

Nachdem ich im ersten Teil besonders auf die Bedeutung der Dosis eingegangen bin, behandle ich jetzt die Reaktionen und ihre Bedeutung in der homöopathischen Behandlung. Wenden wir uns den vier wichtigsten Reaktionsmöglichkeiten nach Verabreichung eines (sogenannten) homöopathischen Medikamentes zu:
     

      

Reaktion 1:
    

Keine Veränderung (weder Verbesserung noch Verschlechterung) nach Einnahme des Medikamentes innerhalb 24 Stunden bei akuter Krankheit oder innerhalb 7 Tagen bei chronischer Krankheit.

Hier müssen wir klären:

1. Ist das Arzneimittel wirklich homöopathisch gewählt?

2. Ist das Arzneimittel zuverlässig hergestellt und hat seine Wirksamkeit behalten?

3. Wurde die Arzneimittelwirkung nicht antidotiert?

4. Ist die auslösende oder unterhaltende Ursache abgestellt? z.B. Toxine (durch arsen- oder schwefelhaltige Thermen, Amalgam, Wasserleitungsrückstände), Arzneimittelprüfungen z.B. durch medikamentöse Lebensmittelzusätze (durch Calcium, Fluor, Jod, Magnesium, Schwefel usw.), starker körperlicher oder psychischer Stress, falsche krankmachende Gewohnheiten usw.

Wenn wir alle Fragen sicher mit ja beantworten können, spricht diese erste Reaktion für das Vorliegen einer mangelhaften Rezeptivität! Das heisst wir müssen den Patienten die hömöopathische Arznei in mehreren Gaben, in kurzen Abständen wiederholt einnehmen lassen, was als Q-Potenz, wenn sie lege artis angewandt wird, kein Problem darstellt.
   

    

Reaktion 2:
    

Verschlechterung des Befindens, d.h. Zunahme der Beschwerden nach der Einnahme des Medikamentes. Dabei kann es sich um folgende Prozesse handeln:

1. Es kann ein Fortschreiten der natürlichen Krankheit sein bei unpassender oder unwirksamer Arznei.

2. Es kann eine Verschlechterung der natürlichen Krankheit stattfinden durch einen ungünstigen Umstand (körperlicher oder psychischer Stress), der zufällig zu diesem Zeitpunkt eintrat.

3. Es kann mit dem Absetzen palliativer Massnahmen oder Medikamente eine Verschlechterung der Symp-tome eingetreten sein.

4.Es kann sich um eine Ausscheidungsreaktion, eine Ausschwemmung durch eine übergrosse Medika-

mentendosis oder ein ungünstig wirkendes Medikament handeln (siehe RA, 1. Band, dritte vermehrte Auflage, Seite 6, Zeile 3-15).

5. Es kann eine Medikamentenprüfung stattfinden, z.B. durch Medikamente, die der Patient wissentlich oder unwissentlich aufnimmt (durch Wasser und Luft verunreinigungen, Baden in Thermalwasser, Nahrungsmittelzusätze wie Calcium, Jod usw.)

6.Es könnte tatsächlich eine sogenannte homöopathische Erstverschlimmerung sein, was wir daran erkennen, dass sie relativ bald nach der Verabreichung der Arzneidosis eintritt, ohne dass sonst ein erklärender Umstand aufgefunden werden kann. In diesem Falle erhöhen sich die vor Therapiebeginn erforschten, diesen Krankheitsfall charakterisierenden Symptome ohne Auftreten neuer beschwerlicher Symptome!

Haben wir eine C30 - C200 Potenz verabreicht, so sollte sich diese sogenannte Erstverschlimmerung in

· akuten Erkrankungen in den ersten Stunden vorübergehend zeigen,

· bei chronischen Erkrankungen in den ersten zehn Tagen stundenweise und vorübergehend zeigen, bei zwischenzeitlicher Besserung (s.Org., 5. Aufl., § 161 und CK, Bd. 1, S. 148, 1. Absatz und S. 151 Mitte 3. Absatz).

In diesem Fall ist vorläufig keine weitere Dosis zu geben!
    

    

Reaktion 3:
    

Befindensverbesserung, d.h. bei Therapiebeginn vorhandene Symptome bessern sich bald nach der Einnahme des Medikamentes, ohne dass neue beschwerliche Symptome auftreten.

Hier ist darauf zu achten, s. § 246, ob es sich um eine:

1. langsam zunehmende Besserung handelt, was bedeutet, dass das Arzneimittel homöopathisch gewählt und richtig dosiert war. Der Patient reagiert normal rezeptiv auf das Medikament. In diesem Fall können wir den Heilvorgang durch Gabenwiederholung der Arznei in modifizierter C- oder Q-Potenz beschleunigen, beziehungsweise, wenn wir diese bereits anwenden, mit der Einnahme fortfahren (s. Hahnemann, CK, Bd. 1, S. 157 und sein Vorwort in CK, Bd. 3) oder

2. ob es sich um eine auffallend zunehmende Besserung handelt, was bedeutet, dass das Arzneimittel treffend gewählt, richtig dosiert war und der Patient eine hohe Rezeptivität für die Medizin hat.

Wenn wir in diesem Fall eine C-Potenz verabreicht haben ist vorläufig nur abzuwarten bis diese Besserung stagniert.

Haben wir eine Q-Potenz verabreicht, ist es aus Erfahrung empfehlenswert die Dosis zu verkleinern und seltener zu geben. Teilweise ist sogar erforderlich mit der weiteren Einnahme auszusetzen bis die Besserung sich verlangsamt oder stagniert. Dann geben wir die Medizin in kleineren Gaben (ohne Steigerung der Dosis) in 2-3-tägigem Abstand weiter.

Würden wir in die merklich fortschreitende und auffallend zunehmende Besserung hinein weiter einnehmen lassen oder die Dosis gar noch vergrössern, so stören wir den Heilvorgang, wie ich dies früher öfters erlebt habe. Folgender Heilungsverlauf soll dies verdeutlichen:

Ein zweijähriger Junge, welcher mit starker Neurodermitis und Schlafstörungen in der Sprechstunde vorgestellt wurde, litt an folgendem Berschwerdebild:

Ausgeprägte Neurodermitis am ganzen Körper, aber auffallend verstärkt auf der linken Körperhälfte, wo die Erkrankung auch ursprünglich begonnen hatte.

Der Juckreiz war so heftig, dass der Junge sich wund und blutig kratzen musste. Am schlimmsten war dies nachts, nachdem er ca. drei Stunden geschlafen hatte, ab Mitternacht bis ca. drei Uhr. In dieser Zeit musste er festgehalten und umher getragen werden, weil sich zu dem heftigen Pruritus noch eine erhebliche Unruhe gesellte. Sulfur, Calcium carbonicum, Lycopodium, Mercurius und Hepar sulfuris waren bis zur Erstkonsultation ohne Erfolg versucht worden.

Weitere Beschwerden waren eine rezidivierende Otitis links, welche jeweils gut auf Belladonna reagierte und ein beidseitiger Hodenhochstand, wobei der rechte Hoden öfters zu tasten war, der linke jedoch nie.

Ich gab aufgrund der linksbetonten Beschwerden der nächtlichen Verschlimmerung, besonders nach einigen Studen Schlaf, vor allem aber aufgrund einer ausgeprägten und grundlosen Eifersucht als Heilmittel Lachesis muta Q3. Da der Zustand äusserst akut war, wollte ich die erste Dosis noch an diesem Abend einnehmen lassen aber keinerlei Erstverschlimmerung riskieren. Deshalb liess ich die Dosis durch drei Gläser verdünnen und aus dem 3. Glas ¼ ml einnehmen.

Am folgenden Morgen berichtete die Mutter:

Unser B. war gestern Abend ruhiger, hat weniger gekratzt, ruhiger geschlafen, sogar durchgeschlafen bis in die Morgenstunden. Er ist dann erwacht und hat sich leicht gekratzt, musste nicht mehr festgehalten werden. Es ist seit langer Zeit nicht mehr so gut gegangen, wie letzte Nacht.

Dies war eine erfreuliche Nachricht und ich liess die Tropfen nun aus dem 2. Verdünnungsglas weiter ¼ ml täglich einnehmen. Sechs Tage später lautete die

Nachricht weniger erfreulich:

Die Mutter berichtete, dass es ihrem Jungen vom Tag der Konsultation an, vier Tage lang super gegangen war. Dann habe es wieder eine starke Verschlimmerung gegeben, welche sie auf Diätfehler zurückführte. Im Gespräch erfuhr ich jedoch, dass nicht die von mir vorgeschlagene Dosis, sondern ein halber und sogar ein ganzer Messlöffel aus dem 1. Verdünnungsglas gegeben worden war. Das heisst in die signifikante Besserung hinein war eine Dosissteigerung vorgenommen worden. Dadurch wurde die angelaufene Besserung destabilisiert mit der Folge, dass es drei Wochen dauerte bis der Erfolg der ersten Tage wieder sichtbar wurde. Danach bekam der Junge das Medikament bis zur endgültigen Heilung in grösseren Abständen, teilweise nur eine Dosis pro Woche, mit aufsteigend gutem Erfolg. Schon im Sommerurlaub, also drei Monate nach Therapiebeginn musste keine Diät mehr beachtet werden, die Haut und der allgemeine Zustand waren gut.

In diesem Fall begann die Heilung sehr schnell, auf die erste Dosis und wurde durch weitere Gaben, vor allem jedoch durch die Dosissteigerung gestört.

Wenn solche plötzlichen Verbesserungen beginnen, müssen wir besonders auf der Hut sein und genau beobachten wie es dem Patienten in der Zeit danach geht. Läuft die Besserung weiter, ohne dass neue bedeutende Beschwerden entstehen, ist vorläufig keine weitere Dosis irgendeines Mittels zu geben.
    

   

Reaktion 4:
    

Veränderung des Befindens, d.h. nach der Einnahme des Medikamentes verändert das Krank-heitsbild seinen Charakter.

Hier gibt es zwei Möglichkeiten:

1. Bisher vorhandene Symptome bessern sich, neue beschwerliche, der zu heilenden Krankheit bisher nicht eigentümliche Symptome, treten auf.

Findet dies bald nach Einnahme des Medikamentes statt, bedeutet dies, dass das Arztneimittel unhomöopathisch gewählt, also falsch ist (s.Org. § 249, und CK, Bd. 1, S. 156, Mitte 1. Absatz)!

Bei Gabe von homöopathisch gewählten Medikamenten sprechen die vorhandenen ähnlichen Symptome an und erhöhen sich leicht. Wir nennen dies Erstverschlimmerung.

Sprechen dagegen fremdartige, dem Patienten unbekannte Symptome zuerst an, kann das Medikament nicht wirklich homöopathisch sein und deshalb auch keine Heilung bewirken.

Das unhomöopathische Arzneimittel heilt in diesem Fall die natürliche Krankheit nicht, es suspendiert diese nur durch Hervorbringen und Unterhalten einer unähnlichen Kunstkrankheit.

In gleicher Weise verhalten sich zwei einander unähnliche natürliche Krankheiten zueinander, die stärkere natürliche Krankheit suspendiert die schwächere natürliche Krankheit, heilt diese jedoch nicht (s. § 38, Org., 6. Aufl.)

2. Die zweite und bessere Art wäre, wenn sich erst nach erfolgter Besserung einiger oder auch vieler Hauptbeschwerden auf die Einnahme eines homöo-

pathisch gewählten Medikamentes im Laufe der Therapie, das Symptomenbild ändert. Nach erfolgter Besserung treten neue (nicht unbedeutende) Beschwerden auf und gesellen sich zu den noch vorhandenen Restbeschwerden.

Mit dem Erscheinen der neuen bedeutenden Beschwerden ist der Zeitpunkt gekommen, ein neues

Arzneimittel zu verabreichen, welches nun mehr Ähnlichkeit mit dem jetzt vorhandenen Symptomenbild hat (s. hierzu § 248, zweiter Abschnitt, Org. 6. Aufl. und CK, Bd. 1, S. 158 unten).

Dies waren die wichtigsten Reaktionen, welche der homöopathische Therapeut kennen und verstehen muss, damit er keine nachteiligen Entscheidungen trifft!

Denken Sie daran, Sie erkennen nur was Sie kennen!

Gemäss der Forderung Hahnemanns im § 2 „Das höchste Ideal der Heilung ist schnelle, sanfte, dauerhafte Wiederherstellung der Gesundheit, oder Hebung und Vernichtung der Krankheit in ihrem ganzen Umfange auf dem kürzesten, zuverlässigsten, unnachteiligsten Wege, nach deutlich einzusehenden Gründen", sollte auch unser Handeln durch Beachtung der Regeln zum Wohle der Kranken und damit verbunden zur Anerkennung der Homöopathie führen.
    

    

Literaturverzeichnis
    
 
  • Hahnemann, Samuel, Die Chronischen Krankheiten, Bd. 1, 2. Auflage, 1835, Faksimileausgabe, Haug Verlag Heidelberg
  • Hahnemann, Samuel, Organon der Heilkunst, 6. und 5. Auflage, Haug Verlag Heidelberg
  • Hahnemann, Samuel, Reine Arzneimittellehre, 3. Auflage, 1830, Faksimileausgabe hrsg. v. Gypser K.-H., Haug Verlag Heidelberg
  • Bönninghausen, Clemens von, Bönninghausens kleine Medizinische Schriften, Arkana-Verlag, Heidelberg

    


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